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Aktuelles

Die ersten phänologischen Beobachtungen der Internationalen Phänologischen Gärten stammen aus dem Jahr 1959 und wurden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach erhoben. Ein guter Grund, um das Areal am Wetterpark gemeinsam mit Anja Engels vom DWD zu besuchen. Seit 2013 beobachtet sie hier die Phänologie von Pflanzen des IPG- und GPM-Programms. Während sich derzeit die Blüte der Mandel zu Ende neigt, startet die Johannisbeere gerade. Die Phänologie ist im Frühjahr an vielen IPG deutlich verfrüht. Für einige Phasen hat Anja Engels die Eintrittszeitpunkte um bis zu drei Wochen früher notiert. Grund war der außerordentlich warme Februar, der in Deutschland sogar mit 6.6 °C um 6.2 Kelvin über dem Wert der Referenzperiode 1961 bis 1990 lag.

Nun ist auch für das Global Phenological Monitoring (GPM) Programm ein neues Zuhause gefunden worden. Die GPM-Daten werden aufgrund ihrer thematischen und strukturellen Ähnlichkeit mit den IPG-Daten verknüpft und in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert. Hierdurch wird das IPG-Netzwerk um weitere Arten bereichert und die technische Umsetzung erleichtert. 

Im GPM-Programm sind 16 wirtschaftlich bedeutende Obstbäume sowie Parksträucher und Frühlingsblumen integriert, die eine breite geografische Verbreitung und/oder ökologische Amplitude aufweisen. Es handelt sich bei diesen Pflanzen ebenso wie bei den IPG-Pflanzen um vegetativ vermehrte, also genetisch identische Individuen, deren phänologische Beobachtung genauere Rückschlüsse auf den Einfluss der Temperatur erlaubt.

Das Global Phenological Monitoring (GPM) Programm wurde 1993 von der Phänologischen Kommission der Internationale Gesellschaft für Biometeorologie (ISB) initiiert.  In den Jahren 1998 und 1999 wurden die ersten Pflanzungen in Deuselbach, Blumberg und Tharandt vorgenommen. In den darauffolgenden Jahren kamen weitere Gärten in Deutschland sowie auch in China, den USA, der Tschechischen Republik, Estland, Italien, der Slowakei und der Türkei hinzu. Derzeit umfasst das Programm 26 aktive Gärten, wovon 14 der Gärten auch dem IPG-Netzwerk angehören. 

Das Programm wurde bis 2023 von Prof. Dr. Frank-M. Chmielewski koordiniert und ist nun in der IPG-Datenbank der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt integriert. 

Eichstätt hat einen neuen Garten, der wissenschaftlichen Zwecken dient. Auf dem Campus der KU wurden in den letzten Wochen 29 Bäume und Sträucher neu gepflanzt, die einen Phänologischen Garten bilden. Forschende untersuchen hier die jährlich wiederkehrenden Entwicklungsstadien der Pflanzen. Mit Reihenmessungen lassen sich anhand der Zeitpunkte etwa von Blühbeginn oder Laubverfärbung die Veränderungen von Witterung und Klima dokumentieren – zum einen im Zeitverlauf, aber auch für unterschiedliche Orte. Denn europaweit, von Finnland bis Portugal, gibt es bereits 60 solcher Phänologischen Gärten. Ein weiterer kam jetzt in Eichstätt hinzu – er wurde nun offiziell eröffnet.

Auf den kleinen Tafeln an den Baumsetzlingen steht Vogelkirsche, Rotbuche, Winterlinde oder Waldkiefer. Noch sind es kleine Pflanzen mit wenigen Seitentrieben, die in der Grünanlage rund um die Zentralbibliothek der KU wachsen. Die Setzlinge – insbesondere von Baumarten, die für die Waldökosysteme hierzulande von Bedeutung sind – stammen alle vom Walderlebniszentrum Grafrath des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürstenfeldbruck – der so genannte Muttergarten. Das Grundprinzip der Internationalen Phänologischen Gärten besteht darin, dass genetisch identische Bäume und Sträucher über Europa verteilt eingepflanzt werden, deren Entwicklung anschließend standardisiert beobachtet wird. Weil die Pflanzen genetisch auf jeweils eine Mutterpflanze zurückgehen, lasse sich genetische Variabilität weitgehend ausschließen, erklärt KU-Geographin Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette. Zwei Ableger ein und derselben Pflanze sollten also bei gleichen klimatischen Bedingungen auch an unterschiedlichen Orten zur gleichen Zeit blühen, erläuterte die Professorin für Physische Geographie, Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung am Beispiel von zwei Forsythien-Stecklingen aus dem Muttergarten in Grafrath, die sie bei der Eröffnung des Phänologischen Gartens an KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien und die stellvertretende Bürgermeisterin von Eichstätt, Elisabeth Gabler-Hofrichter überreichte. Auf diese Weise, so Jochner-Oette, ließen sich noch genauer Rückschlüsse auf den Einfluss von Umweltfaktoren und die Reaktion von Ökosystemen darauf ziehen.

Die Idee der Phänologischen Gärten entstand bereits 1953 in der Kommission für Agrarmeteorologie der Weltorganisation für Meteorologie – damals wurde auch der Muttergarten errichtet. Das Netzwerk der Gärten ist seither europaweit gewachsen – und damit auch die Menge an Daten, die in den Gärten erhoben werden: die Zeitpunkte, wann an den Pflanzen im Frühjahr die ersten Blätter sichtbar werden, wenn sie zu blühen beginnen, reife Früchte tragen oder sich die Blätter im Herbst verfärben und schließlich beginnen abzufallen. Diese Beobachtungsdaten werden ab sofort in Eichstätt gesammelt und in einer Datenbank aufbereitet, die von der Universitätsbibliothek aufgebaut wurde und betrieben wird. Denn die wissenschaftliche Leitung und Koordination des Netzwerks der Internationalen Phänologischen Gärten hat in diesem Jahr Professorin Jochner-Oette gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Johanna Jetschni übernommen. Zuvor hatte mehr als 25 Jahre lang Prof. Dr. Frank Chmielewski vom Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt Universität Berlin das Netzwerk geleitet. Er zeigte sich bei der Eröffnung des Gartens in Eichstätt dankbar, dass die Koordination nun in Eichstätt in guten Händen liege und die wissenschaftliche Arbeit damit eine Fortsetzung findet.

Die Beobachtungen in den Phänologischen Gärten leisteten einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeitsforschung und fügten sich daher ideal in die wissenschaftliche Schwerpunktsetzung der KU ein, sagte die Präsidentin der Universität, Gabriele Gien. „Außerdem erhöht das europaweite Projekt auch weiter die internationale Sichtbarkeit und Vernetzung unserer Forschungsaktivitäten.“ Jochner-Oette führte aus, welchen Beitrag die phänologischen Beobachtungen für das Verständnis dafür leisten, wie Ökosysteme auf Umweltveränderungen reagieren. Die Phänologie biete eine wichtige Indikatorfunktion, um Umweltveränderungen zu erfassen und die Folgen von veränderten Temperaturen, Niederschlagsmengen oder Sonnenscheindauern zu ermitteln und zu verstehen.

Es gehe nicht nur darum, optisch wahrnehmbare Veränderungen der Natur zu dokumentieren. Mit Hilfe der Daten ließe sich auch die Berechnung von Klimamodellen präzisieren. Auch habe die Pflanzenentwicklung selbst Auswirkungen auf das Klima, so Jochner-Oette. Die Verdunstung durch Blätter verändert Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit. Dichte Baumkronen halten Sonneneinstrahlung von der Erdoberfläche fern und beeinflussen so das Mikroklima am Boden. Hinzu kommen biochemische Stoffkreisläufe zwischen Pflanzen und der Atmosphäre – etwa im Hinblick auf den Kreislauf von Kohlendioxid. Und der Zeitpunkt, wann eine Pflanze zu blühen beginnt, wirkt sich wiederum auf das Verhalten jener Insekten aus, die sich vom Nektar ernähren. Jochner-Oette nimmt bei ihrer Forschung auch die Folgen für den Menschen in den Blick – etwa mit Blick auf Allergiker, die von Pollenflug im Frühjahr geplagt sind. Die Eichstätter Geographie untersucht schon länger in anderen Projekten, wie sich diese Belastungen besser vorhersagen lassen – auch hier helfen die Daten der Phänologischen Gärten.

Vom 14.5. bis 17.5. fand der International Congress of Biometeorology in Tempe, Arizona, USA statt. Hier hielt Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette den Vortrag "The network of the International Phenological Gardens of Europe – an update", wo sie über die aktuellen Entwicklungen berichtete und einen Ausblick auf die künftigen Tätigkeiten als Netzwerkkoordinatorin gab.

Pressespiegel